Interview mit Herrn Prof. Dr. Hofmann-Göttig

48 Stunden vor der anstehenden Bundestagswahl konnten wir unseren Oberbürgermeister Herrn Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig treffen und ihn bezüglich seines Amtes sowie den Wahlen zum Oberbürgermeister als auch der Bundestagswahl befragen.

Pervisum:   Welche Aufgabe haben Sie als Oberbürgermeister?

OB:             Meine Aufgaben lassen sich in drei Bereiche aufteilen. Laut der südwestdeutschen Kommunalverfassung bin ich Vorsitzender des Stadtrates und vor allem Chef der Stadtverwaltung. Ebenso vertrete ich die Einwohner und bin zum Beispiel in repräsentativer Funktion auf Veranstaltungen.

Pervisum:   Welche Aufgabe ist für Sie die interessanteste / Welche Aufgabe macht Ihnen am meisten Spaß?

OB:             Die repräsentative Aufgabe macht mir am meisten Spaß. Ich besuche gerne Veranstaltungen und komme gerne mit den Leuten in Kontakt. Leider entfallen nur zehn von meinen insgesamt 80 Arbeitsstunden auf diese Aufgabe. Die Verwaltungsleitung ist dabei der größte Job. Die meiste Zeit arbeite ich hier im Rathaus mit den Mitarbeitern an dieser Aufgabe. Auch ist meine Arbeit eng mit dem Stadtrat verknüpft. Wir arbeiten viel gemeinsam.

Pervisum:   Ist die Verwaltung eine eher „unschöne“ Aufgabe oder gibt es da noch eine andere Seite?

OB:             Ich kümmere mich auch gerne um die Verwaltung. Aus meiner vorherigen Arbeit in verschiedenen Landesministerien weiß ich, wie es geht. Ich habe das Glück, mit guten Leuten zusammenzuarbeiten. Dennoch ist es eine Knochenarbeit.

Pervisum:   Was wollen Sie bis zum Ende Ihrer Amtszeit noch umsetzen?

OB:             Nach den Wahlen werde ich als Erstes auf einer Pressekonferenz meine letzten Projekte für den letzten Teil meiner   Amtsperiode verkünden. Dazu zählen unter anderem die Einbringung des Haushalts 2017/18, wobei viel mit dem Stadtrat gearbeitet werden wird. Auch ist das neue Hallenbad ein Anliegen. Ein weiteres Projekt ist die Gründung eines neuen Stadtviertels          nahe der Fritschkaserne, die Wohnungen für zwei- bis dreitausend Einwohner bieten soll. Ebenfalls ist die Krankenhausfusion Teil der letzten Projekte; hier müssen wir mit dem Land über den Zuschuss zu Bauinvestitionenin Höhe von 188 Millionen Euro verhandeln.
Ich werde bis zum letzten Tag meiner Amtszeit hartarbeiten. Am 30. April nächsten Jahres werde ich mich dann um Mitternacht bei der Feuerwehrund der Polizei verabschieden, denn diese Männer und Frauen sind jederzeit bereit, uns zu helfen. Auch bei meiner Amtsübernahme habe ich mich um Mitternacht als Erstes ihnenvorgestellt. So, wie ich angefangen habe, werde ich auch aufhören. Zusätzlich werde ich bis zu diesem Zeitpunkt eng mit meinem Nachfolger arbeiten, damit er zum 1. Mai 2018 voll übernehmen kann.

Pervisum:   Welche Pläne haben Sie nach Ihrer Amtszeit?

OB:             Ich werde mich mit meiner Frau sowie meinen zwei Hunden ein halbes Jahr an die niederländische Nordseeküste zurückziehen. Mein Nachfolger hat diese Zeit, um nicht in den Schatten des alten Oberbürgermeisters gestellt zu werden. Ich begleite meinen Nachfolger bis zu seiner Amtsübernahme; ich stehe ihm zur Verfügung, wenn Fragen aufkommen; das Amt des Oberbürgermeisters ist jedoch dann seins. In den Niederlanden werde ich dann meinem Hobby, der Fotografie, nachgehen. Ich werde einen fotografischen Führer meines Lieblingsurlaubsortes in den Niederlanden erstellen. Dorthin fahre ich bereits seit 25 Jahren und daher kenne ich mich sehr gut aus. Und ich will ein Foto-Hundebuch machen.

Wenn ich wieder da bin, werde ich wahrscheinlich als Berater in der Wirtschaft tätig sein, aber es wird auf keinen Fall wieder ein 80 Stunden Job. Die neue Zeit werde ich intensiv mit meiner Familie verbringen, wofür mir leider während der Amtszeit wenig Zeit bleibt.

Pervisum:   Wie bewerten Sie das politische Engagement der Jugendlichen in Koblenz?

OB:             Der Jugendrat ist wirklich super. In meiner Jugendzeit schuf ich mit der Schülervertretung und der Schülerzeitung die Basis für meine politische Laufbahn und freue mich über jeden, der sich ebenfalls für andere Jugendliche einsetzt. Daher unterstütze ich Arbeiten wie Schülerzeitung sehr. In meiner gesamten Amtszeit habe ich keine Termine, die die Jugend betreffen, ausfallen gelassen, da ich es als ebenso wichtig empfinde wie andere Termine auch!

Pervisum:   Warum kandidieren Sie nicht ein weiteres Mal?

OB:             Die Kommunalverfassung lässt dies nicht zu. Zum Zeitpunkt der Wahlen darf ein Bewerber nicht über 65 Jahren alt sein, ich bin 13 Monate über diesem Limit.

Doch dass ich keine weiteres Mal antreten könne, war mir schon bei meiner Wahl bewusst. Wirklich Gedanken habe ich mir über die Frage nie gemacht, weil mir von Anbeginn klar war, dass es keine zweite Amtszeit für mich geben würde. Auch jetzt würde ich mich dagegen entscheiden. Ich habe Familie und die Familie geht künftig vor. Wenn ich meine Kinder sehen wollte, musste ich vorher Termine machen. So sehe ich sie manchmal wochenlang nicht. Meine Frau sehe ich zwar jeden Abend, trotzdem ist es dann oft schon sehr spät. Ohne Familie hätte ich aber gerne weitergemacht.

Pervisum:   Welcher Kandidat hat Ihrer Meinung nach die besten Chancen, Ihre Nachfolge anzutreten?

OB:             Da ich das Amt des Wahlleiters besetze, werde ich meine eigene Meinung nicht preisgeben, sonst könnte es zu einer Wahlanfechtung kommen. Am Sonntag werde ich das Ergebnis verkünden, vermutlich kommt es aber zur Stichwahl. Ich habe meine eigene Meinung, ich kenne die Bewerber und weiß sie gut einzuschätzen.

Pervisum:   Welche Tipps können Sie Ihrem Nachfolger geben?

OB:             Da gibt es viele Tipps. Wir werden uns das halbe Jahr bis zu seinem Amtsantritt jede Woche treffen. Ich werde ihn über seine Funktionen informieren: welche er übernehmen sollte und welche nicht, denn als Oberbürgermeister hat man ein enges Terminkorsett.

Das alles läuft dann bis zum 1. Mai, von wo an ich ihm nur noch auf seine Nachfrage Tipps geben werde.

Pervisum:   Wie ist es zu verstehen, dass Kandidaten parteiunabhängig antreten, aber dennoch von ihren Parteien unterstützt werden?

OB:             Die zwei Kandidaten treten parteilos an, da sie durch Unterschriftensammlungen kandidieren. Auch ich bin parteilos angetreten und habe meiner Partei, der SPD, klargemacht, dass ich nicht ihre Marionette sein werde. Wenn jemand einen guten Vorschlag hat, sage ich es ihm, bei einem schlechten genauso, egal, von wem der Vorschlag kommt.

Pervisum:   Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?

OB:             Ich wünsche ihm viel Gesundheit, denn diese wird er brauchen, um das Amt durchzustehen. Es ist anstrengender als gedacht! Man nimmt viele Termine pro Tag wahr und kann nicht plötzlich krank werden. Man braucht Durchhaltevermögen. Ich habe zum Glück ein gutes Immunsystem und hatte in den letzten siebeneinhalb Jahren keinen einzigen Fehltag.

Das Durchhaltevermögen braucht man aber auch bei der Wahrnehmung der Termine. Man muss von jetzt auf gleich das passende Wissen bereit haben und auch von links nach rechts schwenken können. Das ist wie beim schnellen Wechsel im Fußball vom linken zum rechten Flügel.

Pervisum:   Welches politische Ziel ist Ihnen persönlich am wichtigsten?

OB:             Ich bezeichne mich selbst als Mann der Mitte. Ich nehme Vorschläge  jeder Partei an, wenn sie gut sind. Ob dieser Vorschlag dann von der rechten Mitte oder der linken Mitte stammt, ist nicht wichtig, solange sie umsetzbar und sinnvoll sind. Merkel hat ihren Job toll gemacht. Wir leben in einem stabilen          Deutschland, was auch weiterhin so stabil bleiben soll.

Ich kann mit einem Sieg der CDU gut leben, nur die rechte Seite macht mir Sorgen.

Wenn man im Fernsehen sieht, wie gewaltbereit Links- und Rechtsradikale sind, kommt Angst auf. Die Anwendung von Gewalt keine ist Lösung. Dabei ist es egal von wem; auch nicht von einem amerikanischen Präsidenten.

Wenn man sieht, wie sich die Welt verhält, Trump wird Präsident und Marie Le Pen verliert die Wahl in Frankreich, dann will man nur hoffen, dass es weiterhin so wie in Frankreich läuft. Doch ich glaube, dass die Situation bei uns   noch nicht diesen Stand erreicht hat.

Pervisum:   Wie, denken Sie, wählt Koblenz bei der Bundestagswahl?

OB:             Koblenz wählt leicht humanistischer und liberaler als der Bundesdurchschnitt.

Pervisum:   Hat Martin Schulz noch eine Chance, Angela Merkel zu schlagen?

OB:             Nein, es kommt letztendlich wohl zu ähnlichen Ergebnissen wie in den Prognosen von gestern Abend. Im Politbarometer erreichte die SPD 21,5%, sie wird aber niemals 30% schaffen, bis zum 25% wäre aber noch möglich. Die CDU/CSU liegt höher bei 36% bis 38%. Es wird letztendlich wahrscheinlich zu einer GroKo kommen, Gelb und Grün äußerten sich zuletzt nicht zuversichtlich gegenüber der Jamaika-Koalition, welche wohl die einzige andere mögliche Koalition sein könnte.

Pervisum:   Welche Chancen rechnen Sie der AfD an?

OB:             Vor einem Jahr dachte ich noch, dass die Partei den Bach hinuntergehen würde, doch sie haben es unerwarteter Weise geschafft, sich zu stabilisieren, Frauke Petry wurde „in den Hintergrund gestellt“.

Laut Umfragen kommt die AfD bei ungefähr 11% raus, doch gibt es bei Umfragen immer wieder Leute, die in solchem Fall nicht zu ihrer Meinung stehen. Auch ist die Wahlbeteiligung höher. Trotzdem muss es möglichst verhindert werden, dass es rechts- oder auch linksradikale Parteien bei einer Bundestagswahl in den zweistelligen Bereich schaffen.

Pervisum:   Sehen Sie Parallelen zur Weimarer Republik?

OB:             Nein! Wirtschaftlich geht es uns gut und das wird auch so bleiben. Es gibt zwar Unruhen, aber uns geht es zu gut, als dass es direkt einen solchen Umschwung geben würde. Die Mitte ist dafür auch mit ca. 80% noch viel zu stark.

Pervisum:   Wie bewerten Sie Krisen mit der Türkei oder Nordkorea und den   USA? Besteht auch Gefahr für Deutschland?

OB:             Für Deutschland besteht keine direkte Gefahr, dafür ist unsere Regierung zu besonnen. Dies zeigt auch Außenminister Gabriel mit seiner Reaktion auf Trump.

Wenn ein amerikanischer Präsident damit droht, einen anderen Staat am Wochenende auszulöschen, wenn der Staat seine Politik nicht ändert, dann bekommt man Angst. So etwas habe ich noch

nie in den letzten 65 Jahren von einem demokratisch gewählten Präsidenten gehört. Man muss sich vorstellen, dass diese Aussage bedeuten würde, dass es Nordkorea bereits am Montag nicht mehr gibt. Immerhin ist Nordkorea ein Land mit 23 Millionen Einwohnern!

Dennoch sind Nordkoreas Tests von verschiedensten Bomben, vor allem Nuklearbomben oder Wasserstoffbomben und Raketen, nicht richtig. Meiner Meinung nach müssen viel stärkere Sanktionen gegen Nordkorea verhängt werden. Dies auch mit Hilfe von China und Russland, nur so kann man den Staat wirtschaftlich aushungern.

Hier betreibt Deutschland eine gute und besonnene Politik.

Doch bei der Türkei ist          das alles noch schwerer. Erdogans Verhalten erinnert sehr an die Nationalsozialistische Zeit! Er ist fanatisch und provoziert Deutschland Tag für Tag. Und wenn       man sieht, was auf einen noch zukommen könnte, sind die Verhaftungen deutscher Staatsbürger noch harmlos. Deutschland müsste hier etwas härter vorgehen, die Menschenrechte müssen im Blick bleiben und nicht auf Kosten der Menschen gehen.

Doch noch einmal zurück zur Gefahr für Deutschland. Das Dreieck aus Putin, Trump und Erdogan wird noch zusätzlich von Russland beeinflusst und kann sehr schnell kritisch werden. Putin legt zwar ebenfalls keinen Wert auf die Menschenrechte, doch steckt hinter seinem Verhalten ein Plan, bei Trump nicht. Ich würde mich kaum wundern, wenn ich die Nachricht erhalten würde, dass amerikanische Atombomben zum Einsatz kamen.

Pervisum:   Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass auch Koblenz Zielort eines Terroranschlags wird?

OB:             Der moderne Terrorismus zielt auf Aufmerksamkeit. Koblenz ist eine kleine Großstadt und keine Metropole, somit ist hier das Risiko deutlich geringer. Beispielsweise während der BuGa bestand aber auch bei uns ein höheres Risiko. Doch wir probieren alles, damit es so sicher wie möglich ist, vor allem Sicherheitskameras im Öffentlichen Bereich müssen verbreiteter eingesetzt werden.

Pervisum:   Denken Sie nicht, dass aktive, präsente Einsatzkräfte wie Polizisten effektiver sind als „passive“ Sicherheitskameras?

OB:             Beides ist wichtig. Mit den Sicherheitskameras kann man bei Großereignissen wie Rhein in Flammen die Polizisten einfacher        zu Stellen, wo sie eingreifen müssen, schicken. Mit den Sicherheitskameras kann beispielsweise schneller eine Schlägerei entdeckt werden, zu der die Polizisten geschickt werden müssen, sie haben einen besseren Überblick.

Pervisum:   An einer Skala von 1 bis 10: Wie sicher ist Koblenz?

OB:             Wenn eins unsicher und zehn sicher ist, gebe ich Koblenz eine neun, denntotal sicher ist man heute nicht.

Pervisum:   Haben Sie noch Fragen an uns?

OB:             Ja! Ich würde gerne wissen, warum Ihr euch entschieden habt, das Interview mit mir zu führen!?

Pervisum:   Hauptsächlich geht es natürlich um das Informieren unser Mitschüler! Das gilt aber genauso für uns selber. Die Politik, die man in der Schule beigebracht bekommt, ist nicht die, die für Deutschland am Ende wichtig ist! Natürlich ist es wichtig, zu lernen, wie Politik im Gesamten funktioniert und das lernt man eben nur in der Schule. Politik ist allerdings ein Feld, das ständig variiert. Sei es in der Legislative, in wechselnden Koalitionen alle vier Jahre oder einfach in sich der Zeit anpassenden Zielen. Das Wichtigste ist dabei aber, dass Politik ein Feld ist, was uns alle jetzt und in unserer Zukunft betrifft. Vielleicht helfen Interviews wie diese, dass Jugendliche in unserem Alter sich mehr für Politik interessieren, da es einfach uns alle betrifft! Außerdem ist es auch für uns etwas Besonderes, ein Interview mit jemandem zu führen, der mehr Erfahrung und Wissen hat als ausschließlich seine Meinung, wie es heute bei vielen Erwachsenen ist, die keine Ahnung von politischen Fragen haben. Für uns ist es eine Ehre und eine tolle Erfahrung, ein Interview wie dieses mit Ihnen führen zu können!

Ein Interview von Alina Vaupel und Alexander Wiß (10b)