Das Lehrer-Schüler-Verhältnis auf einem Collège in Frankreich
Ich bin Andjela Pantelic, 18 Jahre alt und ich besuche derzeit die zwölfte Stufe unseres Gymnasiums auf der Karthause. Ich hatte letztes Jahr bereits eine Langzeitmobilität in Frankreich für einen Monat durchgeführt und die Stadt, in der ich mich aufhielt, heißt Troyes. Ich bin auf ein Collège gegangen, das ,,Collège les Jacobins'' heißt. Meinen Artikel zu meinen Erfahrungen und dem Schulalltag in Frankreich findet ihr auch auf der Homepage. Dieses Mal wollte ich Erfahrungen auf einem lycée sammeln. Aufgrund von Abschlussprüfungen der Franzosen in diesem Zeitraum ging das nicht, was aber kein Problem darstellte. Also war ich auf derselben Schule wie letztes Jahr, diesmal im Zeitraum vom 30.05 - 15.06.23, da mir die Schule sehr gefallen hat und ich mein Französisch noch weiter ausbauen wollte.
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Dieses Mal habe ich eine Freundin mitgenommen, die auch mit mir in derselben Stufe ist und in der gleichen Gastfamilie untergebracht war und diese Erfahrung auch gerne sammeln wollte. Ich habe bei diesem Aufenthalt auch einen Einblick in einem Kindergarten und in einer Grundschule in Frankreich bekommen, wo die Kinder bereits anfangen, Deutsch zu lernen. Ebenso habe ich beim ,,cours de FLE'' für Eltern auf dem Collège teilgenommen und meinen selbstgeschriebenen Text auf Französisch in der Bibliothek vorgestellt.
In diesem Artikel gehe ich aber insbesondere auf die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern auf dem Collège ein, wo ich die meiste Zeit verbracht habe. Zunächst einmal möchte ich erwähnen, dass das Schulsystem in Frankreich anders ist als in Deutschland und das Collège auch kleiner ist, weshalb das Lehrer-Schüler Verhältnis umso besser ist. Das Collège hat nur vier Stufen mit jeweils maximal fünf Klassen. In jeder Klasse sind nur ca. 18 Schüler. Der Fokus liegt auf jeden einzelnen Schüler und jeder hat eine bessere Möglichkeit, sich zu entwickeln und im Unterricht aktiv mitzumachen.
Außerdem werden die Klassen in der Woche manchmal in zwei Gruppen aufgeteilt, sodass sie danach den Unterricht wechseln und mit dem Lehrer das zu machen, was die andere Gruppe die Stunde davor gemacht hat. Dies hat zum Vorteil, dass es noch weniger Schüler im Unterricht gibt, sodass sich jeder Einzelne im Unterricht beteiligen kann und der Lehrer auf jeden Schüler individuell eingehen, ihre Stärken und Schwächen besser erkennen und gezielte Unterstützung anbieten kann. Auch der ,,cours de FLE'' wird vom Collège unterstützt. Er findet fünf Stunden in der Woche statt und hier nimmt jeder Schüler teil, der Französisch als Fremdsprache hat und so die Schüler die französische Sprache lernen bzw. ausbauen können. Diese Schüler haben nicht alle Fächer auf der Schule so wie die Franzosen, sondern nur einige, wie zum Beispiel Französisch und Englisch. Sie werden also auch berücksichtigt und die Lehrer gehen hier auch individuell auf sie ein.
Es gibt, wie bereits erwähnt, auch einen ,,cours de FLE'' für einige Eltern der Schüler auf der Schule, der zweimal pro Woche stattfindet. Jeder Schüler hat ebenfalls eine eigene Internetseite, auf die sowohl Lehrer als auch Eltern Zugriff haben und die Anwesenheit und alle Noten im Überblick haben. Durch diesen Zugriff können Lehrer und Eltern frühzeitig erkennen, wenn ein Schüler Schwierigkeiten hat oder Unterstützung benötigt. Dies ermöglicht es ihnen, schnell Maßnahmen zu ergreifen, um dem Schüler zu helfen und ihn auf den richtigen Weg zu bringen. Die Schüler fühlen sich unterstützt, da sie erkennen, dass der Lehrer als auch die Eltern sich um das Wohlergehen ihrer Schüler bzw. Kinder und ihre Fortschritte kümmert.
Die 3ème, also die letzte Stufe auf dem Collège, die dann nach den Sommerferien auf das lycée wechselt, hat deren ,,brevet blanc'', das wie eine Abschlussarbeit ist, die nur als Übung für das eigentliche ,,brevet'' im Juni ist, zurückbekommen und hier sind die Lehrer auf jeden einzelnen Schüler eingegangen und haben sie auch nach dem Weg nach dem Collège gefragt, sodass die Lehrer deren Meinung dazu gegeben haben und sie die Schüler mit ihren Vorstellungen und Zielen nach dem Collège motivierten. Zum Beginn jeden Unterrichts fragt der Lehrer jeden Schüler, wie es ihm oder ihr geht und was sie am Morgen glücklich gemacht hat und will so, dass die Schüler auch bei einer simplen Sache darüber nachdenken, was sie am Morgen glücklich gemacht hat, sodass die Schüler motivierter sind auch wenn es mal ein schlechter Tag ist. Die Lehrer gehen also auch auf die Schüler selbst ein und nicht nur auf deren Leistung. Er hört ihnen zu, gibt ihnen Ratschläge und ist immer für Fragen oder Hilfe da und sorgt bereits am Morgen für ein Lächeln der Schüler.
Auch der Respekt ist mir in der Schule aufgefallen. Es gibt sogenannte ,,surveillant'', die den Lehrern als Unterstützung dienen und in der Mittagspause auf die Schüler aufpassen und sich noch um andere Aufgaben sorgen. Sobald ein ,,surveillant'' während des Unterrichts in den Raum tritt, da er/sie etwas übermitteln möchte, stehen alle auf als Geste des Respekts. Alles in allem kann ich aus meinen Erfahrungen eindeutig sagen, dass die Schüler und Lehrer auf dieser Schule eine positive Beziehung zueinander haben, wodurch eine Atmosphäre des Vertrauens, der Offenheit und des Respekts bemerkbar wird. Dies ermöglicht es den Schülern, sich frei zu äußern, Fragen zu stellen und ihre Gedanken zu teilen. Lehrer wiederum können die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler besser erkennen und darauf eingehen. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Schülern und Eltern wird auch eine unterstützende Lernumgebung in der Schule geschaffen, in der jeder Schüler sein volles Potenzial entfalten kann. Auch ich wurde wie eine Schülerin auf deren Schule wahrgenommen und jeden Tag freundlich empfangen. Dieses starke Lehrer-Schüler-Verhältnis fördert nicht nur die Leistung, sondern auch die persönliche Entwicklung und das Selbstvertrauen der Schüler. Es ist eine wichtige Grundlage für den Erfolg in der Schule und im Leben, das in dieser Schule bemerkbar ist.
Insgesamt bin ich unglaublich dankbar, wieder von dieser Chance profitiert zu haben. Ich habe wieder tolle Menschen kennengelernt, habe viele schöne Erfahrungen und Erlebnisse gesammelt, bin mehr über mich hinausgewachsen und bin definitiv noch sicherer in der Sprache geworden. Ich danke der Organisation, meiner Schule, der Schule in Frankreich, meinem für mich verantwortlichen Lehrer M.Bourson, bei dem ich im jeder seiner Unterrichtsstunden dabei gewesen bin und der mich betreut hat, aber auch meiner tollen Gastfamilie und den Menschen, die ich kennenlernen durfte, nochmal von ganzem Herzen für diese nochmals unvergessliche Reise.
Andjela Pantelic (MSS 12) Veröffentlicht: 19.06.2023 |